Wiener Oboenquartette – Die goldene Ära
Jean-Jacques Goumaz, Oboe,
Christoph Müller, Violine,
Jihye Han, Viola,
und Friedemann Döling, Violoncello,
bilden ein Quartett, das sich der Musik der Goldenen Ära verschrieben hat.
Sie hören an diesem Konzertabend u.a. Werke von
František Adam Miča (1746-1811), Quartett C-Dur
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Quartett F-Dur, und
Jan Křtitel Vaňhal (1739-1813), Quartett C-Dur.
Wiener Oboenkonzerte – Die goldene Ära
Die Oboe – eine Stimme zwischen Himmel und Erde. Kaum ein Instrument vermag so unmittelbar zu berühren: hell und klar, zugleich warm und menschlich. In Wien des 18. Jahrhunderts erlebte sie eine glanzvolle Blütezeit – und genau dorthin führt dieser besondere Konzertabend. Meisterwerke, die den unverwechselbaren Geist dieser Epoche lebendig werden lassen, werden präsentiert von:
Jean-Jacques Goumaz – Oboe
Jean-Jacques Goumaz, in Fribourg (Schweiz) geboren, studierte am Conservatoire de Fribourg, in Bern, am Royal College of Music in London sowie bei François Leleux in München. Für seine Ausbildung erhielt er zahlreiche Stipendien und Preise, u. a. den 2. Preis beim Oboenwettbewerb des Royal College of Music London sowie den Publikumspreis des Internationalen Oboenwettbewerbs Belgrad. Nach Engagements bei den Münchner Philharmonikern, dem Deutschen Symphonieorchester Berlin und dem Bayerischen Staatsorchester ist er seit 2003 Erster Solo-Oboist am Nationaltheater Mannheim. Als leidenschaftlicher Kammermusiker gründete er 2008 das „Quintette Melini“. Zudem ist er regelmäßig bei internationalen Orchestern und Festivals zu Gast und seit 2016 Professor am Crescendo Summer Institute Tokaj (Ungarn).
Christoph Müller – Violine
Christoph Müller, geboren in Freising, studierte Violine bei Martin-Albrecht Rohde in München sowie bei Yfrah Neaman in London. Er schloss seine Ausbildung mit dem Examen am Richard-Strauss-Konservatorium München, dem „Associate Certificate“ des Royal College of Music und dem „Diploma of Licentiate“ der Guildhall School of Music and Drama mit Auszeichnung ab. Wichtige Impulse erhielt er in Meisterkursen bei Igor Ozim, Stefan Gheorghiu und Yair Kless sowie durch ein Orchesterseminar unter Sergiu Celibidache. Seit 1996 ist er Mitglied im Orchester des Nationaltheaters Mannheim und tritt regelmäßig in unterschiedlichen kammermusikalischen Formationen auf.
Jihye Han – Viola
Jihye Han, in Südkorea geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Theater München sowie an der Zürcher Hochschule der Künste. Wichtige Lehrer wie Nils Mönkemeyer, Lawrence Power und Roland Glassl prägten ihre musikalische Entwicklung. Nach dem Studium war sie mehrere Jahre Mitglied im Gewandhausorchester Leipzig. Internationale Einladungen führten sie u. a. zum International Musicians Seminar Prussia Cove (UK) und zum Tanglewood Music Festival (USA), wo sie mit renommierten Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeitete. Seit 2022 ist sie Vorspielerin der Bratschen am Nationaltheater Mannheim und konzertiert daneben regelmäßig als gefragte Kammermusikerin im In- und Ausland.
Friedemann Döling – Violoncello
Friedemann Döling, in Hamburg geboren, studierte Violoncello bei Friedrich Jürgen Sellheim in Hannover und Wolfgang Boettcher in Berlin. Nach seiner Zeit als Solocellist der Jungen Deutschen Philharmonie wurde er 1990 Solocellist im Orchester des Nationaltheaters Mannheim. Neben seiner Orchestertätigkeit ist er als Solist und Kammermusiker tätig, u. a. im „Asaeda Trio“, im Duo mit Johannes Dölger (Kontrabass) oder über 20 Jahre mit seinem Vater, dem Cembalisten Waldemar Döling. Seit 2004 veranstaltet er in Mannheim die eigene Kammermusikreihe „unterm Dach“. 2017 erschien seine CD New Works for Cello solo beim Label TYXart. Ein besonderes Anliegen sind ihm die Werke Bachs, die er 2018 mit der Gesamtaufführung der sechs Cellosuiten in Mannheim präsentierte.
Die Komponisten
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Kaum ein Name ist so eng mit der Wiener Klassik verbunden wie der von Wolfgang Amadeus Mozart. Geboren 1756 in Salzburg, zeigte er schon im Kindesalter ein beispielloses musikalisches Talent. Als „Wunderkind“ reiste er durch Europa, spielte vor gekrönten Häuptern und begeisterte mit Improvisationen, die sein Vater Leopold als stolzer Chronist verbreitete. Doch Mozart war weit mehr als ein reisender Virtuose: Er war einer der kreativsten Köpfe seiner Zeit, der die Grenzen der Formen und Gattungen immer wieder neu auslotete.
Eine wichtige Station seiner Laufbahn war Mannheim. Dort, am kurfürstlichen Hof mit seinem berühmten Orchester, erlebte Mozart 1777/78 eine prägende Zeit. Er lernte die legendäre „Mannheimer Schule“ kennen, die für ihre orchestrale Disziplin, ihre dynamischen Effekte und ihre ausdrucksvolle Klangsprache gerühmt wurde. Diese Eindrücke hinterließen Spuren in Mozarts Orchester- und Kammermusik, die in den folgenden Jahren immer deutlicher hervortraten.
Nach Jahren der Anstellung am Salzburger Hof zog es ihn 1781 nach Wien, wo er als freischaffender Musiker ein Leben zwischen gesellschaftlichem Glanz, künstlerischer Freiheit und finanzieller Unsicherheit führte. In Wien entstanden viele seiner bedeutendsten Werke: die großen Opern wie Le nozze di Figaro oder Don Giovanni, Sinfonien, Klavierkonzerte – und auch seine kammermusikalischen Meisterwerke.
Mozarts früher Tod 1791 in Wien, im Alter von nur 35 Jahren, beendete ein Leben, das an Schaffenskraft und künstlerischer Bedeutung bis heute unerreicht ist. Sein Werk prägt unsere Vorstellung von Musik wie kaum ein anderes und bleibt ein unerschöpflicher Quell der Inspiration.
František Adam Míča (1746–1811)
Der Name František Adam Míča ist heute wohl nur Kennern der böhmischen Musikgeschichte vertraut, doch zu seiner Zeit gehörte er zu den geschätzten Komponisten des Habsburger Reiches. Geboren 1746 in Jaroměřice nad Rokytnou, entstammte er einer Musikerfamilie: Schon sein Onkel František Antonín Míča hatte sich mit Opern und Oratorien einen Namen gemacht. Der jüngere Míča fand früh seinen Platz im reichen musikalischen Leben des 18. Jahrhunderts, das von höfischen Traditionen ebenso geprägt war wie von der wachsenden Bedeutung der bürgerlichen Musikkultur.
Míča wirkte viele Jahre in Wien, wo er als Violinist, Dirigent und Komponist tätig war. Seine Werke spiegeln die Eleganz und Klarheit der Wiener Klassik wider, zugleich aber auch eine gewisse volkstümliche Leichtigkeit, die typisch für die böhmischen Komponisten jener Zeit war. Im Mittelpunkt seines Schaffens stehen Kammermusikwerke, Sinfonien und geistliche Musik.
Obwohl Míča nach seinem Tod 1811 schnell in Vergessenheit geriet, erlaubt uns die Wiederentdeckung seiner Werke heute einen faszinierenden Blick auf die musikalische Vielfalt Wiens um 1780 – eine Epoche, in der auch weniger bekannte Namen von hoher Qualität geprägt waren.
Jan Křtitel Vaňhal (1739–1813)
Jan Křtitel Vaňhal, auch Johann Baptist Vanhal genannt, war einer der produktivsten und erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Geboren 1739 in Nechanice (Böhmen), erhielt er zunächst Unterricht im heimatlichen Umfeld, bevor er nach Wien kam – jenem Zentrum, das für seine Karriere entscheidend werden sollte. Schon bald machte er sich dort einen Namen als Komponist, Lehrer und gefragter Musiker.
Vaňhal gehörte zum engen Kreis der Wiener Klassik. Er kannte Joseph Haydn persönlich, stand mit Mozart in Kontakt und musizierte sogar gemeinsam mit ihnen in Quartetten. Zeitgenössische Berichte belegen, dass er als Virtuose wie auch als Lehrer hohes Ansehen genoss. Besonders seine Sinfonien wurden europaweit gespielt – selbst in Amerika fanden sie Verbreitung. Mit weit über 70 Sinfonien, zahlreichen Streichquartetten, Klavierwerken und geistlicher Musik hinterließ er ein Werk von enormem Umfang.
Seine Kammermusik zeigt eine ausgewogene Mischung aus melodischer Eleganz, formaler Klarheit und mitunter überraschender dramatischer Energie.
Vaňhal starb 1813 in Wien, hochangesehen und finanziell unabhängig – eine Seltenheit unter den Musikern seiner Zeit. Heute gilt er als einer jener Komponisten, die die Wiener Klassik entscheidend mitprägten, auch wenn sein Name oft im Schatten von Haydn, Mozart und Beethoven steht. Seine Musik aber spricht mit einer Klarheit und Frische, die bis heute unmittelbar berührt.
Die Werke
František Adam Míča: Quartett C-Dur für Oboe, Violine, Viola und Cello
Der böhmische Komponist František Adam Míča (1744–1811) gehört zu jener Generation von Musikern, die das musikalische Leben Wiens im 18. Jahrhundert entscheidend prägten, heute jedoch fast vergessen sind. Míča, Vertreter der böhmischen Klassik, verband in seinem Stil italienische Eleganz mit slawischer Melodik und feinem Humor.
Sein Quartett in C-Dur ist ein Kleinod der Kammermusik, ein feines Beispiel seiner Kunst: Hier zeigt Míča, wie sich die lyrische Stimme der Oboe mit dem Streichersatz verbindet: mal übernimmt das Blasinstrument die führende Rolle, mal fügt es sich elegant in den kammermusikalischen Dialog ein. Lyrische Themen wechseln mit tänzerischen Passagen, überraschende harmonische Wendungen verleihen dem Werk eine besondere Frische. Die Musik besticht durch melodische Klarheit, gesangliche Linien und eine unbeschwerte Heiterkeit, die den Zuhörer sofort für sich einnimmt. Ein Werk, das den Geist der Klassik mit dem Charme böhmischer Klangfarben vereint und zu einer Entdeckung abseits des bekannten Repertoires einlädt.
Wolfgang Amadeus Mozart: Quartett F-Dur für Oboe, Violine, Viola und Cello (KV 370)
Mozarts Quartett in F-Dur gilt als ein Höhepunkt des Repertoires für Oboe und Streichtriound zu den herausragenden Beispielen seiner Kammermusik. Es ist zugleich eine Hommage an die Virtuosität und Ausdruckskraft der Oboe. Mozart schuf das Werk 1781 für den Oboisten Friedrich Ramm, den er in München kennengelernt hatte. Mit brillanter Virtuosität und opernhafter Melodik stellt er die Oboe als glänzende Protagonistin ins Zentrum des Geschehens.
Wie so oft bei Mozart gelingt es ihm meisterhaft, höchste technische Raffinesse mit Leichtigkeit und Wärme zu verbinden: kammermusikalische Feinfühligkeit verbindet sich mit strahlendem Glanz. Die Oboe tritt als gefühlvolle Erzählerin und zugleich als funkelnde Solistin in den Vordergrund, während die Streichinstrumente sie umspielen und tragen – ein Spiel von Klangfarben und melodischer Schönheit, das den Hörer von der ersten bis zur letzten Note fesselt.
Wolfgang Amadeus Mozart: Präludium und Fuge f-Moll für Violine, Viola und Violoncello
Adagio (Wolfgang Amadeus Mozart) – Fuge (nach Wilhelm Friedemann Bach)
In diesem außergewöhnlichen Werk begegnet sich die Welt des galanten 18. Jahrhunderts mit der Strenge des barocken Kontrapunkts. Aus seiner intensiven Beschäftigung mit den Fugen Johann Sebastian Bachs und seiner Söhne entstand dieses eindrucksvolle Zwiegespräch zwischen Epochen und Stilen. Das Präludium und die Fuge in f-Moll gehören zu den eindrucksvollsten Beispielen dieser Auseinandersetzung.
Das Adagio, ganz Mozarts Handschrift, entfaltet eine feierliche Tiefe. Daran schließt sich die Fuge nach Wilhelm Friedemann Bach an – ein kontrapunktisches Meisterstück, das Mozart in vollendeter Klangbalance für Streichinstrumente übertrug: dichte Stimmführung, spannungsvolle Nachahmung, klare Architektur.
So entsteht ein Werk von seltener Intensität, einem faszinierenden Dialog zweier musikalischer Welten: Mozarts empfindsamer Klassizismus begegnet dem Geist der Bach’schen barocken Konstruktion, die sich zu einer faszinierenden Einheit verbinden.
Jan Křtitel Vaňhal: Quartett C-Dur für Oboe, Violine, Viola und Cello
Jan Křtitel Vaňhal (1739–1813), einem der produktivsten Kammermusikkomponisten der böhmischen Klassik, lebte lange in Wien. Sein Quartett in C-Dur vereint Eleganz, Leichtigkeit und lebendige Ausdruckskraft. Vaňhal, Zeitgenosse Mozarts und Haydns, verstand es meisterhaft, die Oboe als solistisches Instrument in den Dialog mit den Streichern zu setzen.
Melodische Klarheit, rhythmische Frische und ein feines Gespür für Balance prägen dieses Werk. Die Oboe zeigt sich hier von ihrer heiteren, gesanglichen Seite – mit einer Musik, die Eleganz mit volkstümlicher Lebendigkeit verbindet, fängt Vaňhal die typische Klangwelt der Wiener Klassik ein.
Vaňhals Quartett zeigt die Oboe in all ihren Facetten: als expressive Erzählerin, virtuose Solistin und Partnerin der Streicher. Es ist ein mitreißendes Beispiel böhmischer Kammermusik, das klassische Formbewusstheit mit melodischem Einfallsreichtum verbindet und den Hörer mit unaufdringlicher Raffinesse erfreut.